KALEVALA

Elias aus Sammatti

Elias Lönnrot kam am 9. April 1802 im südfinnischen Sammatti zur Welt, als viertes von insgesamt sieben Kindern des Schneidermeisters Fredrik Juhana Lönnrot. Schon früh zeigte sich, daß der Junge besonders begabt war. Mit fünf Jahren lernte er lesen, und fortan waren Bücher seine große Leidenschaft.

In Sammatti erzählte man sich allerlei Anekdoten über seinen Lesehunger. "Steht endlich auf! Lönnrots Elias sitzt schon längst im Baum und liest", weckte die Nachbarin ihre Kinder. Eine andere Geschichte berichtet, daß Elias einmal Hunger hatte und seine Mutter um ein Stück Brot bat. Es war jedoch kein Brot im Haus. "Na gut, dann lese ich eben", meinte der Junge.

Elias Lönnrot / G. Budkowski, 1845. SKS

Die Eltern beschlossen, ihren Sohn zur Schule zu schicken, obwohl sie fast mittellos waren. Mit zwölf Jahren begann Elias die Schule in Tammisaari. Die schwedische Sprache bereitete dem rein finnischen Jungen anfangs Schwierigkeiten; finnischsprachige Schulen gab es ja damals noch nicht.

Der strebsame, wißbegierige Junge setzte sich jedoch durch und konnte ab 1816 die Kathedralschule in Turku besuchen. Der Aufenthalt in der fremden Stadt war jedoch teuer. Nach einiger Zeit waren alle Mittel aufgezehrt, und Elias mußte nun doch wie sein Vater zu Nadel und Schere greifen. Der Pfarrer des heimatlichen Kirchspiels verhalf dem Jungen jedoch wieder zum Schulbesuch, diesmal in Porvoo. 1822 immatrikulierte sich Lönnrot an der Universität Turku.

Lönnrots Studienjahre

An der Universität wählte Lönnrot, wie es damals üblich war, mehrere Fächer. Neben Medizin studierte er Latein, Griechisch, Geschichte und Literatur. Lönnrot fand auch Zugang zu einem kleinen, national gesinnten Kreis von Professoren und Studenten, der sich das Ziel gesetzt hatte, die Stellung der Landessprache zu verbessern.

Im Rahmen seines Studiums befaßte sich Lönnrot auch mit den soeben erschienenen Veröffentlichungen von Volksdichtung. Es zeigte sich, daß Ostfinnland und vor allem das auf russischer Seite liegende Weißmeerkarelien diejenigen Gegenden waren, in denen die alten Gesänge noch lebten.

Unter Anleitung seines Lehrers Reinhold von Becker schrieb Lönnrot seine Magisterarbeit über die finnische Mythologie, über Väinämöinen. Die Arbeit, ein schmales Heft in lateinischer Sprache, erschien 1827.

Lönnrot widmete sich nun dem Medizinstudium, das er 1832 abschloß. Um Geld für das Studium zu verdienen, arbeitete er, wie viele seiner Kommilitonen, als Hauslehrer. In dieser Eigenschaft kam er im Sommer 1824 auf den Gutshof Laukko im westfinnischen Vesilahti. In Vesilahti sang man damals noch einige Lieder im Kalevala-Versmaß, die der Hauslehrer voller Interesse aufzeichnete. In Laukko traf Lönnrot auch karelische Sänger, die als Wanderhändler unterwegs waren.

1827 wurde Finnland von einer Katastrophe heimgesucht: Turku, die ehemalige Hauptstadt des Landes, wurde durch eine Feuersbrunst zerstört. Im Studienjahr 1827-1828 konnte kein akademischer Unterricht stattfinden. Lönnrot war daher den Winter über als Hauslehrer in Laukko tätig. Allmählich reifte in ihm der Plan, in Karelien Volksdichtung zu sammeln.

Lönnrot beschloß, im Sommer 1828 nach Savo und Karelien zu reisen. Er wollte seinen eigenen Worten nach "mehr vom eigenen Land sehen, dessen Sprache in ihren einzelnen Dialekten kennenlernen, vor allem aber die Erzeugnisse von dessen eigenartig schöner Volksdichtung aufzeichnen".

top